Inhalt
  1. Was ist das generische Maskulinum?
  2. Kritik an der Verwendung des generischen Maskulinums
    1. Argument der Uneindeutigkeit
    2. Argument der Asymmetrie in Sprache und Denken
  3. Empirische Studien
    1. Freies Konkretisieren
    2. Ja/Nein-Aufgaben
    3. Ergebnisse
  4. Methodische Kritik
  5. Vorschläge für Experimente

4 Methodische Kritik an den Studien


Die Studien und die Interpretation der Ergebnisse können aus verschiedenen Gründen kritisiert werden. Zusammenfassend scheinen mir dabei folgende Punkte relevant zu sein.

In einigen Studien wurde nicht kontrolliert, ob den Versuchspersonen das Untersuchungsziel klar ist. Ist das der Fall, dann kann das natürlich besonders bei dem hier untersuchten Themenbereich zu Antworten kommen, die hochgradig durch bestimmte Antwortstrategien, z.B. soziale Erwünschtheit oder Einstellungen, verfälscht sind. Dabei ist nicht klar, ob solche strategischen Überlegungen der Vpn für oder gegen den erwarteten Effekt arbeiten.

Ein besseres Vorgehen als lediglich die Antworthäufigkeiten zu erheben ist es sicherlich, zusätzlich Reaktionszeiten als Maß für die Verfügbarkeit des Konzeptes weiblich bzw. des Konzeptes männlich als Reaktion auf einen im generischen Maskulinum formulierten Satz zu erheben. Das ist aber nur dann sinnvoll, wenn man von der Annahme ausgeht, daß Antwortzeiten weniger von strategischen Überlegungen der Versuchspersonen verfälscht werden können als die entsprechenden ja/nein-Antworten. Ob man tatsächlich davon ausgehen kann, wenn man annimmt, daß den Vpn das Untersuchungsziel klar ist, ist fraglich.

In den Studien, die Kontexteffekte untersuchten, wurde m.W. nicht in Voruntersuchungen abgesichert, ob und inwieweit diese Kontexte wirklich als männlich, weiblich oder neutral geprägt eingeschätzt werden. Diese subjektive Einschätzung kann jedoch deutlich von der tatsächlichen Verteilung in der Gesellschaft abweichen.

Viele der Untersuchungen bleiben bei der bloßen Demonstration des Phänomens stehen, ohne dessen Ursache abzuklären. Die theoretische Anbindung an psychologische Theorien bleibt oft oberflächlich und ist wenig differenziert. Es wird auf Whorfs Hypothese der linguistischen Relativität verwiesen sowie auf Roschs Prototypenansatz. Nur wenn man die Ergebnisse vor dem Hintergrund psychologischer Theorien interpretiert, wird es aber möglich, die Ergebnisse systematisch vorherzusagen und neue Hypothesen abzuleiten.

Meiner Ansicht nach wäre es interessant, ob das spezifische Verstehen des generischen Maskulinums auf ein viel grundlegenderes Problem zurückzuführen ist, daß nämlich der Mann in unserer Gesellschaft als "Prototyp" des Menschen angesehen wird. Dann würden nämlich auch sogenannte geschlechtsneutrale Formulierungen wie Studierende, Lehrende usw. als Alternativen zum generischen Maskulinum nicht viel weiterhelfen, da auch sie automatisch mit dem Prototypen Mann instantiiert würden. Helfen würde in solch einem Falle nur, wenn man explizit auch die weibliche Formulierung mitbenutzt, wie das z.B. in Formulierungen wie Studenten und Studentinnen, StudentInnen oder Studenten/innen der Fall ist.

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